Über Facebook lernte ich eine Volontärin kennen, die gerade in einer Dorfschule tief in den Usambarabergen unterrichtet. Wir planen, am Wochenende zusammen auf Tagestouren zu gehen. Nur hatte ich vorher noch zwei Tage Zeit – also lud sie mich kurzerhand zu ihrer Gastfamilie ein. Ein Dorf mitten im Nirgendwo mit Eimerdusche und gemeinsamen Kochen über offenem Feuer? Klar bin ich dabei!!!
In der Gastfamilie
Die Familie besteht aus einem recht kranken Opa, einer sehr agilen Oma und drei Kindern zwischen 7 und 14. Wobei das natürlich nicht die ganze Familie ist, sondern nur diejenigen, die regelmäßig hier übernachten. Abends sitzt außerdem ein Rudel Jungen aus der Nachbarschaft mit ums Feuer.
Ich schlafe in einem Bett mit Mandy, der Volontärin. Das Bett ist groß, aber viel mehr passt in das Zimmer auch nicht rein. Allerdings verfügen wir über den Luxus einer richtigen Tür, während alle anderen Schlafzimmer nur mit Vorhängen ausgestattet sind. Auch sonst wird hier für uns eine Extrawurst gekocht und das im wörtlichen Sinne – es gibt zwar keine Wurst, aber aus irgendeinem Grund essen wir immer etwas anderes als die Anderen. Unser Essen wird zuerst gekocht, dann werden wir ins Esszimmer geschickt, während die beiden älteren Jungs eine zweite Mahlzeit vorbereiten. Ich wäre lieber bei der Familie am Feuer geblieben, aber ich will natürlich nicht aufdringlich sein.
Die Leute hier arbeiten verdammt viel. Während die Lehrerin in Mandys Schule kaum einen Finger rührt und in der Unterrichtszeit schon mal ihre Wäsche macht, müssen hier schon die Kinder sehr viel mit anfassen. Frühstück machen, den weiten Weg zur Schule laufen, Schule, zurück und dann auf dem Hof geholfen bis es Zeit zum Abendessen vorbereiten ist. Die Älteren beiden gehen wohl auch öfter mit aufs Feld…
Einer der Jungen spricht genug englisch, dass wir uns verständigen können. Die Erwachsenen sprechen Suaheli oder die lokale Sprache Kisambaa mit mir und lachen, wenn ich – meist nach dem Zufallsprinzip – mit „asante“ (danke), „salama“ (friedlich) oder „nsuri“ (gut) antworte. Es scheint ihnen wichtig zu sein, dass ich die richtigen Antworten auf die zahlreichen Höflichkeitsfloskeln kenne. Im Zweifelsfall geben sie sich aber auch mit einem Lächeln zufrieden und wenn ich nicht mehr weiter weiß, antworte ich auf Englisch – dann ist das nicht-verstehen zumindest ausgeglichen.
Die Leute in Tanzania sind unglaublich kommunikativ, aber während sie dir in den touristischen Gegenden meist etwas verkaufen wollen, geht es hier einfach um die Kommunikation selbst. Mandy hat in den drei Monaten, die sie schon hier ist, einen beeindruckenden Wortschatz in Suaheli angesammelt.
Die Dorfschule
Mandys Schule ist eine private Vorschule. Das Schulgeld beträgt ca. 7,50 € im Monat, was für die Meisten hier zu viel ist. Deshalb sitzen auf den 30 winzigen Schulbänken oft weniger als 5 Kinder. Ich gehe einen Tag mit und „unterrichte“, worüber sich niemand wundert. Zuerst steht ausmalen auf dem Stundenplan, was erstaunlich schlecht funktioniert. Aber Stifte und Papier gehören hier auch nicht zur Standardausstattung eines Haushalts, weshalb Stifthaltung üben die wichtigste Aufgabe der Vorschule ist.
Später machen die beiden Älteren Mathe, ein anderes Kind malt vorgepunktete Buchstaben nach. Es wird schwieriger, die Rasselbande zu bändigen, weshalb wir in der Pause spazieren gehen. Es gibt einen Hof mit schicken Blümchen und einer Frischwasserquelle, der nur leider etwas weiter weg ist. Auf dem Rückweg nehme ich den Kleinsten Huckepack – schließlich haben die Kleinen auch noch einen recht weiten Heimweg mit ziemlich viel Berg hoch und runter…
Als wir uns von den Kindern verabschieden, habe ich ein schlechtes Gewissen. Insbesondere für den Kleinsten hat der eine Tag gereicht, um anhänglich zu werden… Eigentlich wollte ich mich zurückhalten, damit so etwas nicht passiert, aber es macht so viel Spaß mit den Kindern zu interagieren.
Leben in den Bergen
Mandy kann sich vorstellen, dauerhaft hier zu leben – vielleicht nicht in einem so winzigen Dorf, aber in den Usambara Mountains. Das wäre keine Option für mich, aber Ich bin total dankbar, dass es mich auf meiner Reise hierher verschlagen hat. Die Berge sind wunderschön und das Balancieren über improvisierte Brücken ist großartig (und ich bin nicht ein mal reingefallen \o/ ). Aber am interessantesten sind natürlich die Menschen, deren Normalität so anders ist als unsere. Als ich nach Tanzania geflogen bin, hatte ich gehofft, dass sich so eine Chance ergibt – ganz herzlichen Dank an Mandy, die für zwei Tage ihre großartige Gastfamilie und ihr Leben mit mir geteilt hat.